Der bayerische Landtag will ab Mai Nachtzielgeräte für alle Jäger in Bayern zur Schwarzwildbejagung freigeben. Die bayerische Jägerschaft selbst lehnt diese Pläne ab. Nach Beendigung des „Projektes Schwarzwild“ prallen nun die Interessensgemeinschaften aufeinander. Wir haben in München versucht Hintergründe der Entwicklungen zu erörtern.

„Brennpunkt Schwarzwild“

Im Wesentlichen führt die steigende Schwarzwildpopulation zu drei Effekten, die auf unser menschliches Leben mittelbar eine Auswirkung haben:

  • Gefahr für Leib und Leben durch Verkehrsunfälle
  • Erhöhung der Gefahr bezüglich der Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP)
  • Wildschäden in Wald und Feld

Wildunfälle haben allein in Bayern über mehr als 10% in den letzten Jahren zugenommen. Von den dabei tragisch zu schaden gekommenen Personen einmal abgesehen beziffern sich allein die Sachschäden auf über 2,4 Millionen Euro im Jahr 2014.

Die Gefahr, dass sich die ASP auch in Bayern verbreiten könne wird als hoch eingestuft. Durch Einschleppung in die Wildschweinpopulation würde das Virus auch auf Hausschweinbestände übergehen. Ohne einen fehlenden Impfstoff bliebe das Virus in der Population, die wirtschaftlichen Folgen wären verheerend. Die dabei entstehenden Schäden werden wohlwollend auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Blickt man auf die Gesamtheit der Landwirtschaft und in die Kette der fleischverarbeitenden Industrie, vom Erzeuger bis zum Endverbraucher, inklusive der Zulieferer, geht der potentiale Wirtschaftsschaden in die Milliarden. Ein Horrorszenario für alle Betroffenen.

Wildschäden haben auch in Bayern in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Trotz Bejagungsschneisen in Maisschlägen und koordinierten Bewegungsjagden scheint man trotz Rekordstrecken in den letzten Jahren Wildschäden nicht verringern zu können. In Bayern wird die Summe der verursachten Schäden nicht erfasst, katalogisiert und festgehalten, so dass eine genaue Schadenssumme nicht zu ermitteln ist. Schätzungen gehen allerdings auch hier in den zweistelligen Millionenbereich.

Nach Gesprächen mit Münchner Jägern mussten wir feststellen, dass die Effekte der steigenden Schwarzwildpopulationen vor allem in Euro gemessen werden. Zumindest geschieht dies laut Aussage einiger Jäger hinter verschlossenen Türen. „Die Bauernverbände laufen Sturm und zwingen das Landwirtschaftsministerium zum Handeln.“

Warum sollen Nachtzielgeräte zur Jagd erlaubt werden?

Als eines der Ergebnisse des Projektes „Effizienten Reduktion überhöhter Schwarzwildbestände“ wurde die grundsätzliche Eignung von Nachtzielgeräten für die Schwarzwildjagd festgehalten. Aufgrund dieser Feststellung scheint sich nun eine sehr dynamische Entwicklung anzubahnen.

Nach Durchführung des Projektes „Brennpunkt Schwarzwild“ wurde vom Bayerischen Jagdverband (BJV) vor allem bemängelt, dass die Maßnahmen von Seiten der Jägerschaft weitgehend ignoriert wurden, das Projekt wenig seriös verlief und nur wenig praxisrelevante Erkenntnisse erzielt werden konnten. Bejagungsschneisen, Maßnahmen zur Verkehrssicherung und ein digitales, interaktives Kommunikations- und Monitoring System wären die vielversprechenderen Maßnahmen. Für Jäger und Landbesitzer wären sie nachhaltig erfolgsversprechend.

Politisch scheinen diese Maßnahmen kurzfristig schwieriger umsetzbar, als die einfacher erscheinende Freigabe von Nachtzielgeräten für Jäger.

Viele Münchner Jäger sind zumindest der Meinung, dass die Politik durch Druck von außen zum Handeln gezwungen ist. Mit dem Rücken zur Wand scheint die Erlaubnis zur Jagd mit Nachtzielgeräten nun ein politisch, probates Mittel zu sein.

Nachtzielgeräte und Reaktionen

Dennoch lehnen viele Jäger selbst Nachtzielgeräte nicht grundsätzlich ab, wenn sie nicht massenhaft in Umlauf gebracht werden. Die Schwarzwildbejagung könne dadurch durchaus in manchen Gebieten effektiver gestaltet werden. Dies sei aber regional auch unterschiedlich zu bewerten.

Auch der Präsident des BJV, Prof. Dr. Jürgen Vocke lehnt moderne Bejagungsmethoden nicht ab, wenn sie rechtssicher und tierschutzkonform sind. Er und die bayerische Jägerschaft sehen vielmehr die Gefahr, dass durch eine generelle Freigabe von Nachtzielgeräten Effekte entstehen, welche die Jagd als solches negativ verändern. Die Ruhebedürftigkeit aller Wildtiere würde eingeschränkt werden, damit der Grundsatz der Waidgerechtigkeit missachtet und der Tierschutz nicht eingehalten. Außerdem ließe sich zwangsläufig nicht verhindern, dass ausschließlich auf Schwarzwild „rund um die Uhr“ gejagt werden würde. Auch Gamswild, Rot- und Rehwild würden zu Reduktionszwecken mit Nachtzielgeräten erlegt werden.

Interessant erscheint vor dem Hintergrund der angeführten Sachschäden und den politischen Entwicklungen eine Studie der Technischen Universität München mit dem Titel: „Die finanziellen Auswirkungen überhöhter Wildbestände in Deutschland“. Dabei kommt man zum Ergebnis, dass allein durch Verbiss- und Schälschäden bundesweit, jährlich ein Schaden von ca. 175 Millionen Euro (Zuwachsschäden, Qualitätsschäden und Entmischung) zu Stande kommt. Um so spannender gestaltet sich in diesem Zusammenhang die Aussage des Präsidenten Bayerischer Waldbesitzervereinigung: „Nachtsichtgeräte sind Hilfsmittel, die den Jägern ihr Handwerk erleichtern“. Inwiefern sich dies auf die Rot- und Rehwildjagd projiziert, lässt sich nicht sagen. Die angesprochene Gefahr durch den BJV scheint jedoch nicht ganz unbegründet.

Eine mögliche Freigabe von Nachtzielgeräten wird von Seiten der Landwirtschafts- und Bauernverbände begrüßt.

Erlaubnis von Nachtzielgeräten in der Umsetzung

Am 12.01.2014 verkündete daraufhin der bayerische Landwirtschaftsminister, dass beginnend ab Mai Nachtzielgeräte zur Jagd erlaubt werden sollen. Laut dem Waffengesetzt und auch dem Bundesjagdgesetz ist dies allerdings verboten. Dennoch will das bayerische Landwirtschaftsministerium in Verbindung mit dem bayerischen Innenministerium Sonderregelungen schaffen, die den Einsatz von Nachtzielgeräten in Bayern erlauben könnten.

Diskutiert wird derzeit über eine einfache Ausnahmeregelungen für Jäger, die durch das Landwirtschaftsministerium selbst umsetzbar wären. Voraussetzung ist dafür allerdings eine Zustimmung des Bundeskriminalamtes. Die Details für diese mögliche Sonderregelung sind aber noch nicht zu fassen. Am Wahrscheinlichsten gilt wohl eine schlichte Beantragung eines Nachtzielgerätes zur Jagd bei der Waffenbehörde.

Möglich wäre auch eine Änderung des bayerischen Jagdgesetzes. Hier wäre es durchaus möglich, abweichend vom Bundesjagdgesetz Nachtzielgeräte nicht als sachliche Verbote zu führen. Eine solche Umsetzung wird von Seiten des Landwirtschaftsministeriums derzeit allerdings dementiert.

Noch kein Schlusswort

Die politische Entwicklung bleibt nach wie vor spannend und weiter abzuwarten. Während erlaubte Nachtsichtgeräte für die Jagd auf Schwarz- und Raubwild in der Tat die Waidgerechtigkeit steigern können und viele Vorteile bieten, birgt die massenhafte Verbreitung von Nachtzielgeräten auch Gefahren. Wichtig aber unzureichend bleibt in diesem Zusammenhang sowohl die Begründung als auch die Umsetzung mit klaren Regelungen für den Einsatz von Nachtzielgeräten. Vor allem müssen die Jäger selbst an dieser Entwicklung partizipieren, um negative Effekte auf die Jagd zu vermeiden. Ein Schlusswort ist in dieser Diskussion mit Sicherheit noch nicht gesprochen.