Jedes Jahr im Mai verfolgen wir beinahe traditionell die Diskussion über die verwendeten Kaliber bei der Bockjagd. Und jedes Jahr wieder erfahren wir, dass teilweise stärkere Kaliber geradezu verteufelt werden. Angeblich sind sie nicht wildpretschonend oder gar wegen völlig übertriebener Tötungswirkung unwaidmännisch. Zeit mit diesem Gerücht aufzuräumen und zu erklären warum starke Kaliber nicht das Problem sind.

Der Ruf nach Rehwildkalibern für die Bockjagd ist auch in den letzten Jahren geradezu verstummt. Wir persönlich kennen kaum noch einen Jäger, der eine .223 Rem bei der Jagd auf Rehwild führt. Doch warum lesen und hören wir immer wieder, dass man doch keine .30-06 zur Bockjagd benutzen kann. Es sei doch viel zu stark. Es hält sich eben nach wie vor der Irrglaube, dass allein das Kaliber ausschlaggebend für die Tötungswirkung mit der einhergehenden Wildpretentwertung ist.

Zusammenhang zwischen Kaliber und Tötungswirkung

Bei der Wahl des Kalibers geht es darum eine gewisse Bandbreite an zu bejagenden Wildarten abzudecken. Ab 6,5mm darf rechtlich alles Schalenwild bejagt werden. Entscheidend ist weiterhin für den Gesetzgeber die abgegebene kinetische Energie beim Auftreffen auf den Wildkörper. Die Auftreffenergie muss den rechtlichen Anforderungen von 1000J bzw. 2000J auf 100m Genüge tragen. Dabei spielt jedoch allein nicht das Kaliber eine Rolle, da Energie umgangssprachlich gleich Masse mal Beschleunigung ist. Genauer gesagt verbirgt sich dahinter die Formel:

Joule = Geschwindigkeit (m/s)² x Geschossgewicht (kg) x 1/2

Allein daraus wird schon ersichtlich, dass das Kaliber sehr wenig Auswirkung auf die Auftreffenergie haben kann und Geschwindigkeit und Geschossgewicht allein die beiden entscheidenden Faktoren bilden. Hinzu kommt, dass wie bereits erwähnt, die E100 als Messgröße genommen wird, was zu berücksichtigen ist. Mehrere Munitionshersteller geben aber mittlerweile auf der Verpackung genau an wie groß die Kennzahlen für verschiedene Entfernungen noch sind.

Hinter der Auftreffenergie verbirgt sich die beabsichtigte Tötungswirkung durch Schock, bei der durch die plötzlich auftreffende Masse schlagartig viel Energie an den Wildkörper abgegeben werden kann. Dieser Effekt soll das zentrale Nervensystem wirken. Es ist auch entscheidend über wieviel Fläche diese Energie wo an den Wildkörper abgegeben wird. Und dabei sind in der Tat größere Kaliber vom Grundsatz her wirkungsvoller, wenn es darum geht die beabsichtigte Schockwirkung zu erzielen. Je größer der Durchmesser desto größer ist auch die Fläche die plötzlich mit der Energie auf den Wildkörper wirkt und umso größer ist die gewünschte Tötungswirkung durch Schock. Zusätzlich wird durch das größere Kaliber auch grundsätzlich ein größerer Wundkanal erzeugt. Die Zerstörung lebenswichtiger Organe und Blutgefäßen ist die primäre Ursache für die beabsichtigte tierschutzgerechte Tötungswirkung. Allein diese Thematik ist komplex und umfangreich. In der Regel wird aber davon ausgegangen, dass größere Kaliber auch stärker sind und eine höhere Tötungswirkung haben. Doch stimmt das?

Nun ist aber die Wirkung eines Geschosses nicht allein vom Kaliber abhängig. Wie effektiv ein Geschoss wirkt hängt von sehr vielen Parametern ab, die in keiner jagdlichen Situation wirklich gleich sind.

Zielballistik ist entscheidend

Entscheidend für die Tötungswirkung und die Wildpretentwertung ist im wesentlichen die Zielballistik oder Wundballistik. Dies bedeutet, dass das Verhalten des Geschosses beim Auftreffen auf den Wildkörper entscheidend ist. Es geht dabei also grundsätzlich um die Frage, welche zielballistischen Eigenschaften soll das Geschoss idealer Weise haben soll? Einfach gesagt: Es geht nicht allein um das Kaliber, sondern darum wie ein Geschoss wirkt. Im Einzelnen kann man dazu etliche Fragen formulieren. Wie groß ist die Penetrations bzw. Tiefenwirkung? Wie groß ist der erzeugte Wundkanal? Wie groß ist der Schweißverlust des Stückes? Wie schnell und über welche Strecke wird wieviel Energie an den Wildkörper abgegeben? Welche Organe werden dabei verletzt? Wie schnell spricht das Geschoss an? Bei welcher Geschwindigkeit spricht das Geschoss an?

All diese Fragen sind wiederum von anderen, hier beispielhaft erwähnten Faktoren abhängig: Was ist die jagdliche Schussdistanz? Wie ist die Treffpunktlage? In welchem Winkel wird das Stück getroffen? Welche Körperteile werden getroffen? Wie stark ist das Stück und in welcher Verfassung befindet es sich?

Welche Frage sollte man beantworten?

Jagdlich muss man sich selbst die Frage beantworten, welchen Effekt man anstrebt bzw. auf welches Prinzip man den Schwerpunkt legen möchte. Möchte man möglichst wenig Wildpretentwertung oder möchte man nach Möglichkeit das Stück an Ort und Stelle bannen. Zwischen diesen beiden Faktoren befindet sich viel Platz für Kompromisse. Dennoch muss man sich in erster Linie diese Frage stellen.

Mit Hilfe eines stärkeren Kalibers ist die Chance in der Regel größer, dass das Stück schneller verendet als bei kleineren Kaliber. Ganz entscheidend für die Geschosswirkung ist aber die Trefferlage. Doch auch hier zeigen aktuelle Untersuchungen, dass der Treffpunkt in Verbindung mit einer hohen Auftreffenergie allein nicht zwangsläufig zu kürzeren Fluchtstrecken führt. Die Kennzahl der Auftreffenergie allein ist nicht aussagekräftig genug, um eine schnelle Tötungswirkung zu bestätigen. Eine hohe Geschosswirksamkeit wird in der Regel aber dann erzielt, wenn in einer Tiefe von 15cm noch eine Energieabgabe von über 1500 Joule erzielt wird.¹ Und diesen Effekt kann man kaliberunabhängig für verschiedenste Geschosse erzielen.

Fazit

Ein zugespitzer Vergleich: Ein .30-06 Vollmantelgeschoss würde mit Sicherheit weniger effektiv eine zuverlässige und tierschutzgerechte Tötungswirkung erzielen, als ein nur 130 grain Kupfer Solid im Kaliber .270 Win. Doch hier würde jeder Jäger nicht aufgrund des Kalibers sagen, dass es unwaidmännisch wäre, sondern der Geschosskonstruktion schlichtweg weniger vertrauen. Das Kaliber ist abschließend nicht der allein ausschlaggebende Kriterium für eine waidgerechte, zielorientierte Jagd, was wir mit dieser kleinen Einführung in die Bedeutung von Geschoss, Geschosswahl und Wundballistik aufzeigen wollten. Die Thematik ist so komplex und spannend, dass wir diese Themen in Folgeartikeln zukünftig weiter beleuchten werden.
¹Vgl.: Rieger, Siegfried; Gremse, Carl: Ergänzende Untersuchung zur Tötungswirkung bleifreier Geschosse, HNE Eberswalde, FWWJ, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Eberswalde 2014.

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